Hinweis: diese Texte sind unserem aktuellen Auswahl-Kletterführer Südpfalz entnommen und unterliegen dem Urheberrecht! Jede Verwendung, auch in Auszügen, ist untersagt.

Der Artikel von 2006 stammt von Heinz Illner, dem langjährigen Präsidenten der „Vereinigung der Pfälzer Kletterer“ und Mit-Autor des Kultbuches über das Klettern in der Pfalz „Hoch hinaus im Pfälzer Wasgau“.

Die Klettergeschichte der Südpfalz

Die Anfänge

An einem Sommertag im Jahre 1903 schlug die Geburtsstunde des sportlichen Kletterns im südpfälzischen Wasgau-Felsenland. Karl und Oskar Mugler erreichten nach heftigem Kampf mit der von Moos und Heidekraut überwucherten Nordwand den Gipfel des Rödelsteins, der wie eine mächtige Buntsandsteinburg über dem Dörfchen Vorderweidenthal thront. Lange Zeit zuvor, bereits 1860, war der mächtigste südpfälzer Felsen, der Asselstein, mit Hilfe von Holzleitern und angelegten Baumstämmen erklettert worden. Später wurde hier sogar ein festes Drahtseil installiert. Damit führte auf den Asselstein einer der ersten Klettersteige Deutschlands.

Bereits ein Jahr später, 1904, kam es zu einem wahren Boom von Erstbesteigungen. Karl Mugler und Rudolf Scholl erklommen an einem Tag den großen Kamin am Brocken, dem Hauptgipfel der Fladensteine, den Ilex-, Jüngstberg-, und den Erlenbacher Turm. Kurz darauf entdeckte Scholl das 20 Meter lange Kriechband am Hundsfelsen und eröffnete den „Byzantinerweg“, eine Route, bei der man sich wie vor langer Zeit in Byzanz auf dem Bauch kriechend dem Kaiser – in diesem Fall dem Ausstieg zum Gipfel – nähert.

Eine Schwierigkeitsbewertung gab es damals noch nicht. Aus heutiger Sicht jedoch überschritten Friedrich und Karl Jung mit der Ersterkletterung des Jungturms bei Annweiler 1904 erstmals den 4. Grad.

Im ersten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts bestiegen diese ersten Pioniere, zu denen auch Albert Grimmeisen, Dr. Heeger, Dr. Karl Petry, Karl Wendel, Jakob Otto und August Bauer gehören, die meisten der großen Felstürme der Südpfalz auf den heute so genannten Normalwegen. Oft erhielten die Felsen auch den Namen des Erstbesteigers, wie beispielsweise Jung-, Holder- und Heegerturm.

Standen Felsnadeln unweit eines Massives, wurden diese auch schon mal durch Seilüberwurf, oder, wie die Hochsteinnadel bei Dahn, mit Hilfe eines über die Kluft gelegten Baumstammes bezwungen. Einige Kletterpioniere zögerten auch nicht, glatte Felspassagen mittels geschlagener Griffe zu bezwingen. Spuren dieses Tuns findet man noch heute in vielen Normalwegen. Insofern wurde natürlich in den ersten Jahren der Pfalzkletterei nicht ausnahmslos hilfsmittelfrei geklettert. Nach und nach fanden jedoch alle Türme, die zuvor mit verschiedenen Tricks erstbestiegen worden waren, ihre freien Begehungen. Auch der Asselstein erhielt seine erste sportlich faire Erkletterung 1909 durch Emil Ney, Ernst Schlemmer und Rudolf Schonger. Den Berichten der Erstbegeher zufolge wurde die Ersteigung ohne Schlagen von Griffen durchgeführt. In einem späteren Zeitdokument beklagt man sich allerdings darüber, dass Unbekannte den Normalanstieg durch geschlagene Griffe „verstümmelt“ hätten. Die ursprüngliche Kletterei war somit wesentlich schwerer als der heutige „leichte Vierer.“

Die letzten Gipfel und der Schritt in die großen Wände

Von 1910 bis 1925 wurde die Entwicklung des pfälzischen Kletterports vor allem durch die Ludwigshafener Brüder Fritz und Theo Mann geprägt. Nicht nur spektakuläre Gipfel wie Sternfels und Theoturm erkletterten sie als erste, auch neue schwierige Routen durch die Wände waren das Ziel. Um die erste freie Erkletterung der schwierigsten Felstürme lieferten sich die Mann-Brüder einen Wettlauf mit den Brüdern Matheis aus Rodalben, die den Ludwigshafener Turm und die Adelsnadel im Jahre 1921 als erste bezwangen. Im Gegenzug gelang den Brüdern Mann dann ein Jahr später der Honigfelsen im Bärenbrunner Tal. Mit diesem Normalweg sowie mit der durch die Matheis-Brüder erstmals gekletterten „Bockverschneidung“ am Bockfels wurde der sechste Schwierigkeitsgrad überschritten, obwohl er für die Jahrzehnte danach als die äußerste Grenze des Menschenmöglichen galt. Im Jahr 1923 setzten Phillip Pfundstein und Karl Schmidt mit dem „Pfundstein-Schmidt-Riss“ (6 A0) am Asselstein einen neuen Markstein.

Auftrieb erhielt das Pfälzische Klettern auch durch die Gründung der Vereinigung der Pfälzer Kletterer (PK)  1919 durch alle damaligen Akteure.

Die klassische Erschließungszeit vor und nach dem 2. Weltkrieg

In den dreißiger Jahren bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges wurden viele der heute als klassisch-schwierig eingestuften Routen erstbegangen. Vor allem Richard Scheerer und sein Freund Heinrich Kauther sorgten mit neuen Routen wie zum Beispiel „Adelsnadel-Talwand“ und „Ludwigshafener Turm-Alte Südwand“ für Gesprächsstoff in der noch relativ überschaubaren Kletterszene. Mit Rudi Scheiber, Emil Gessner und Fred Frey, der die Entwicklung des Pfalzkletterns bis weit nach dem zweiten Weltkrieg geprägt hat, betraten hoch talentierte Akteure die Kletterbühne. Sie eröffneten in den Jahren bis 1939 an den „Paradefelsen“ der Pfalz, wie Büttel-, Hirt-, oder Bockfels eine „Grosse Südwand“ nach der anderen.

Als sich nach dem Krieg Fred Frey und Hans Laub zu der wohl erfolgreichsten Seilschaft der Pfalz verbanden, haben mehrere gravierende Änderungen stattgefunden. Nicht mehr ausschließlich die freistehenden Gipfel, sondern auch bis dahin unberührte Massive wie Heidenpfeiler oder Trifels wurden zu begehrten Kletterzielen. Bereits 1939 wurde von Rudi Scheiber und Alfred Stabel an der Klosterwand im Bärenbrunnertal eine der ersten größeren Hakentouren der Pfalz eröffnet. Ähnlich der damaligen Entwicklung im alpinen Klettern war die Fortbewegung mittels geschlagener Haken und Trittleitern kein Tabu mehr. Freilich wurde diese Änderung von Einigen durchaus nicht als Fortschritt angesehen. Der über zwanzig Jahre später, in der Zeit des Hakenstreites, häufig gebrauchte Ausdruck „Feiglingkletterer“ war auch in jener Zeit häufig am Fels zu hören.

Über 500 Routen wurden von Hans Laub und Fred Frey erschlossen. Darunter viele absolute Pfalz-Klassiker wie „Pferchfeld-Südwandrisse“ und „Nonnenfels-Jubiläumsriss“. Ebenfalls in den fünfziger Jahren machten Walter Ehrhardt, Karl Mühe, Werner Doll und Hugo Erhart mit Wegen wie der „Südostkante“ am Asselstein oder dem „Luger-Tor-Weg“ an den Luger Geiersteinen ihre ersten Erstbegehungen. Im darauffolgenden Jahrzehnt waren vor allem Udo Daigger sowie Franz Schwarzmüller und Robert Breitsch auf Neulandsuche. Auch Elmar und Hugo Hasselwander aus Hauenstein sowie Hans-Peter-Dietrich, Roman Koch und Winfried Eberhardt sorgten dafür, dass Jahr für Jahr neue Routen dazukamen. In dieser letzten Episode der klassischen Erschließung waren z.B. „Julius-Schantz-Gedächtnisweg“ am Luger Geierkopf, „Rote Wand“ am Backelstein oder „Petra-Route“ und „Katerweg“ am Asselstein herausragende Erstbegehungen.

Neue Methoden öffnen den Weg und führen zu Auseinandersetzungen

Als sich Mitte bis Ende der Siebziger eine neue Generation zu Wort meldete, kam es zu einem der gravierendsten Einschnitte in der Geschichte des pfälzischen Klettersports. Thomas Nöltner war einer der ersten, der die Leistungsgrenze über den siebten Grad hinaus verschob. Inspiriert durch die in der Sächsischen Schweiz kennen gelernte Methode des hilfsmittelfreien Kletterns von Ring zu Ring gelang ihm das „Lineal“ an den drei Felsen. Mit der „Superlative“ am Bruchweiler Geierstein, geklettert von Wolfgang Güllich und Thomas Nöltner, wurde im Jahre 1978 der achte Schwierigkeitsgrad erreicht. Einzig die Machart der neuen Routen, die vor der Ersterkletterung von oben inspiziert und mit (wenigen) Ringen versehen wurden, stand den geltenden Kletterregeln entgegen und führte zum Konflikt mit der Klettertradition.

Eine sich über zehn Jahre hinausziehende Auseinandersetzung zwischen den Vertretern der traditionellen Richtung und den Akteuren der Freikletterbewegung vergiftete das Klima im Klettergebiet. Bedingt durch die rasante internationale Entwicklung im Sportklettern und den enormen Zuwachs an leistungsstarken jungen Kletterern gerieten traditionelle Kletterregeln und die sie vertretende Vereinigung Pfälzer Kletterer (PK)   zunehmend ins Abseits. Anfang der neunziger Jahre fand in der PK eine Kurskorrektur statt. Die vom Verein im Jahre 1990 verabschiedeten „Richtlinien für sanftes Klettern im Wasgau Felsenland“ wurden allgemein akzeptiert und seither ist die PK sowohl von Behörden und Naturschutzverbänden als auch von Seiten der Kletterer ein akzeptierter kompetenter Partner für alle Belange des Klettersports in der Pfalz.

Heute werden beide Erstbegehungsstile problemlos nebeneinander praktiziert.

Während und nach dem „Pfälzer Hakenstreit“ fand eine explosionsartige Steigerung der gekletterten Schwierigkeiten statt. So kletterten Wolfgang Kraus mit „Powerbär“ am Jeanturm und Wolfgang Güllich mit „Im Westen nichts Neues“ am Nonnenfels bereits 1979 / 1980 im unteren neunten Grad. Die von Dieter Klan mit „absägefesten“ dicken Ringen ausgestattete Route „Herr der Ringe“ am Hochstein im achten Grad, die bei einem Pfalz-Besuch von Nico Mailänder gekletterte „Geierwally“ (7) an den Luger Geiersteinen und Ernst Hunsickers  von unten erschlossener „Ikarus“ an der Adelsnadel im unteren 8 Grad stehen für viele herausragende Erstbegehungen aus dieser Zeit.

Die achtziger und neunziger Jahre

1982 kletterten Michael Schindler und Hans-Jürgen Cron die „Maitrauer“ (8+) am Rötzensteinpfeiler, die sie dem im Mai des gleichen Jahres am Cho Oyu ums Leben gekommenen Reinhard Karl widmeten. 1984 ließen dann Lothar Hartmann und Andreas Rüdiger auf zunächst klassische Art den „Magnetfinger“ am Burghaldefels technisch entstehen, der dann für Jahre zur Messlatte für jeden aufstrebenden Sportkletterer wurde. Am Jungturm eröffnete Rainer Scharfenberger von unten im Jahre 1988 die „Walpurgisnacht“ (8-) und am Bundenthaler Turm kletterte Roland Petrovečki zusammen mit Bernd Buchmann im Jahre 1989 „La Cubera“ im oberen achten Grad. Hans-Jürgen Crons Highlight aus demselben Jahr, die „Denkmalpflege“ an den Dürrensteinen, (…)  wurde mit 9+ bewertet (…).

In den neunziger Jahren wurde eine ganze Reihe hervorragender Routen in den höchsten Schwierigkeitsgraden eröffnet. So gelang z.B. Christof Stiegler 1991 „Schlendern ist Luxus“ (9+) am Burghaldefels. Im Jahr 1992 erreichten Jens Richter mit „Kleine heile Welt“ am Kreuzfels und Michael Schlotter mit „Windjammer“ an den Fischfelsen erstmals den 10. Grad. Im Jahr 1994 eröffnete Florian Eigler seine Route „Mekka“ (10-/10) am Nonnenfels. 4 Jahre später hieß die schwerste Tour in der Pfalz dann „TNT“ (10+), erstbegangen durch Steffen Frey.

Das neue Jahrtausend

Gleich zu Beginn des neuen Jahrtausends kam die von Lutz Limburg erstmals gekletterte „Gambaxplosion“ am Retschelfels, die den unteren elften Grad berührte. In den nächsten Jahren gab es immer wieder neue Top-Touren. So kletterte z.B. Daniel Meyerer „ZEC“ (10) am Burghaldefels im Jahr 2002 und Andi Ziegler seinen „Alden Vadder“ (10) am Rödelstein 2005. Den bisherigen Höhepunkt setzte im selben Jahr der junge Julius Westphal. Mit „Mekka direkt“ schaffte er einen Prüfstein im 11. Grad.

Aber auch in den unteren und mittleren Schwierigkeitsbereichen wurden beständig schöne und lohnende Wege geschaffen. Dafür stehen neben den bereits genannten und exemplarisch für viele andere Peter Lischer, Burkhard Hornauer, Fred Erhard, Jürgen Wesely, Bruno Vogel, Uwe Schumacher, Axel Richert und Oliver Jacob. 

Heute ist festzustellen, dass es, obwohl die Erstbegehungsmöglichkeiten in der Pfalz seit Jahren als nahezu erschöpft gelten, immer wieder kreative Erschließer gibt, die mit lohnenden Erstbegehungen überraschen. Entgegen dem lange vorherrschenden umstrittenen Trend zu großflächigen Erschließungen, der berechtigterweise auch die Kritik von Naturschutzbehörden auslöste, weisen die in jüngster Zeit gemachten wenigen und zumeist guten Erstbegehungen in eine andere, erfreulichere Richtung.

Erwähnenswert ist auch der in den letzten Jahren zunehmende Trend zum Bouldern in der ganzen Pfalz. Peter Weinrich, Dieter Klan, Ingo Bald, Pascal Schuhwink u.a. sind auf diesem Gebiet ständig auf der Suche nach neuen Möglichkeiten.

Ausblick und Zukunft

Die Zukunft des Klettersports ist in vielen deutschen Mittelgebirgen gefährdet. Die Kletterer in der Pfalz haben mit der Gründung des unabhängigen Arbeitskreises „Klettern und Naturschutz Pfalz“ einen Weg der Zusammenarbeit mit Naturschutzverbänden und Behörden eingeschlagen, um Kletterverbote zu vermeiden. Alle Bemühungen in der Pfalz zielen seit Jahren darauf ab, dass der Klettersport so ausgeübt wird, dass er ein Musterbeispiel für ein harmonisches Miteinander von Mensch und Natur abgibt. Wir sind in der Pfalz stolz darauf, diesen Weg bisher erfolgreich gegangen zu sein. Dieser Erfolg beruht auch darauf, dass Kletterer aus Gründen des Naturschutzes hier und da zum Verzicht bereit sind. Mancher kletternde Gast aus anderen Regionen wundert sich vielleicht über die Appelle zum Magnesiaverzicht und über die recht spärlich angebrachten Sicherungsringe. Dabei sind dies wichtige Bestandteile der „pfälzischen Lösung“, die mit dazu beigetragen haben, dass der Klettersport in der Pfalz nahezu unbeschränkt ausgeübt werden darf.